Der Berber: mythisches Pferd oder Mythos um ein Pferd? |
Sonntag, 08. Januar 2012 |
Artikel erschienen in der marokkanischen Zeitschrift "L'économiste" am 17. Oktober 2011 Vorwort von Céline Ludwig In einem französischsprachigen Forum begegnete ich dem marokkanischen Veterinär Dr. Yassine Jamali. Um es klar herauszustellen, meine Ansicht über die Verwendung und das ideale Modell des Berberpferdes unterscheidet sich von dem Bild Yassine’s. Doch im Laufe unseres Austausches haben wir genug Gemeinsamkeiten gefunden und wir haben uns eine gemeinsame Terminologie aneignen können, so dass wir den Schluss ziehen konnten, dass wir uns trotz unseres unterschiedlichen „Geschmacks“ die gleiche Überzeugung teilen:
Nämlich die, dass eine Gefährdung für die Rasse des Berberpferdes besteht, indem wir nichts dagegen tun, dass das Fantasia- oder Tbouridapferd als Berberpferd identifiziert wird. Yassine‘s Mut und seine Entschiedenheit, sich für das Berberpferd einzusetzen ist mehr als begrüßenswert und so fragte ich ihn, wie man ihm helfen kann. Seine Antwort war folgende: « Helfen ? Natürlich: indem mein Artikel in voller Version umher gereicht wird um eine Diskussion zu erwecken. Denn hier (in Marokko) ist zurzeit alles im Stillstand: Berber und Fantasiapferd sind für den Großteil der Betroffenen das Gleiche. » Dieser Artikel hat es unter anderem geschafft, in einer marokkanischen Zeitschrift zu erscheinen, aber diese weitgehend wohltuenden, ja rettenden Überlegungen gehen – insbesondere im Königreich Marokko – gegen den Strom. Nach Yassine`s Einschätzung kann nur eine aus Europa kommende Stimme die Diskussion in den Ursprungsländern wieder aufleben lassen. Persönlichen Geschmack, „Lieblings-Berbertyp“ und Aspirationen beiseite lassend, wir sind uns einig: die hier zu unterstreichende Nachricht ist, dass die echte Gefahr für unsere Rasse aus den Ursprungsländern kommt, sie besteht aus der Einschmelzung des Fantasiapferds in die Rasse des Berbers. Ich bedanke mich für die wichtige Arbeit der Übersetzung in die deutsche Sprache durch Bettina Schürer und Christopher Ludwig
Céline Ludwig - BzRP Januar 2012
DER BERBER: MYTHISCHES PFERD ODER MYTHOS UM EIN PFERD?(die französische Version kann hier heruntergeladen werden)
Als symbolträchtige Rasse Nordafrikas, spielt das Berberpferd seit der Antike eine außerordentlich wichtige Rolle. Seine Charaktereigenschaften machten es zu einem begehrten und wichtigen Reittier für Krieg, Jagd und Rennen. Zudem brachte der Berber für alle Pferderassen, mit denen er gekreuzt wurde, eine hervorragende Verbesserung. In nahezu allen Sportpferderassen und in einigen Arbeitspferderassen finden sich mehr oder weniger alte Anteile vom Berberpferd in der Abstammung. Interessanterweise ist dieser Einfluss viel weniger bekannt und beansprucht worden als jener des Vollblutarabers, jenem anderen Veredler der europäischen Rassen, auf den man sich gerne beruft, zweifelsohne, weil dieser nicht in Vergessenheit geraten ist, wie der Berber.
Zuchtbuch und Standard : Referenz und Status Die Tatsache dass das Berberpferd zwischenzeitlich vom Aussterben bedroht war, gab den Ausschlag für die langsame Wiederbelebung der Rasse. Ziel war es, den Ruf der Rasse wieder aufleben zu lassen und den Bekanntheitsgrad zu steigern. Sportliche Aktivitäten sollten gefördert, ein neuer Markt gesucht werden. Eine Rasse zu erschaffen oder wiederzubeleben besteht im Wesentlichen darin, einen Standard auszuarbeiten (d.h. eine detaillierte Beschreibung der morphologischen Charakteristika und der Fähigkeiten, die daraus resultieren). Der Standard einer Rasse dient als Grundlage dafür, zu entscheiden, welche Individuen in die Population der Rasse gehören und welche innerhalb der Rasse zu den schönsten zählen, d.h. welche am ehesten dem idealen Model entsprechen. Dann muss ein Zuchtbuch kommen: das ist ein Register wo einerseits jene Pferde eingetragen werden, die auf Grund Ihrer äußerlichen Erscheinung ausgewählt wurden, und andererseits die Fohlen, welche von den schon eingetragenen Pferden abstammen. Ein Standard stellt nicht die Wahrheit dar. Vielmehr basiert die Ausarbeitung und Anwendung eines Standards auf einer kollegialen Reflexion, welche zu einem Konsens führt. Er ist ein Abbild der Ansichten der Mitschreiber und den Ideen, die sie sich von der Rasse machen. Daraus ergibt sich die Frage: Was bedeutet die Bezeichnung Berberpferd?
Geographische Herkunft Eigentlich bezeichnet der Name Berber, geographisch gesehen, das Pferd Nordafrikas. Sind also alle Pferde, die aus dem Maghreb stammen, Berber? Die Population der aus Maghreb stammenden Pferde ist so groß und heterogen, dass man nicht von einer Rasse reden kann: man stelle sich die Pferde „Galliens“ vor mit dem Percheron, Mérens, Cob, Selle Français etc. Eine einzige Bezeichnung für alle diese Pferdetypen nur auf Grund der gemeinsamen geographischen Herkunft würde keinen Sinn machen. So wie es keinen Sinn macht von einem iberischen Pferd (mit dem Andalusier, Pottok, Sorraia, Alter Real etc.) oder einem „Britenpferd“. Der Berber bezeichnet also EINE Rasse Nordafrikas. Er wurde erforscht, beschrieben und nach ganz Europa importiert (von wo auch sein Name stammt) um die örtlichen Rassen aufzuwerten. Die Beschreibung seiner Morphologie und Qualitäten blieben über mehr als 2000 Jahren praktisch unverändert.
Der Berber in der Geschichte Man kann gar nicht alle Schriften aufzählen, in welchen das Berberpferd als Reit- und Zuchttier während mehr als 25 Jahrhunderten Geschichte gelobt wurde. Eine der ältesten Aufzeichnungen ist datiert mit 168 v. Chr. Sie erzählt vom Sieg bei den Panathenäischen Spiele der Rennpferde, des numidischen Königs Mastranabal. Die erste Einkreuzung von Berberpferden in den englischen Pferdebestand fand um 70 n. Chr. statt als der römische Kaiser Septimus Severus entschied, Berber-Zuchthengste nach Großbritannien, damals teilweise unter Besetzung der Römer, zu importieren. Fast ein Jahrhundert später beschrieb Oppian in seinem Buch „die Jagd“ die Pferde Mauretaniens (heutiges Marokko und Algerien) als die robustesten und widerstandsfähigsten Pferde im ganzen römischen Reich. Zu dieser Zeit umfasste das römische Reich den gesamten Mittelmeerraum, Westeuropa, einen Teil Zentraleuropas und den nahen Osten... Noch eindrücklicher, was die Qualität des Berbers anbelangt, zeigt die Tatsache, dass M'rou'ou l'Qays, einer der bekanntesten vorislamischen Dichter, in zwei seiner Werke den Berber folgendermaßen erwähnte: er forderte einen Rivalen zum Pferderennen heraus und trat mit einem Berber an. Der Wert dieses Rennpferdes zeigt sich in diesem vorteilhaften Vergleich mit dem Pferd der arabischen Halbinsel. Zweifellos konnte dieser arabische Prinz (M'rou'ou l'Qays) die Berber am Hofe von Byzanz (späteres Konstantinopel), der Hauptstadt des Oströmischen Reiches, sehen, wo er sich aufhielt, knapp 2 Jahrhunderte vor der arabisch-islamischen Eroberung Nordafrikas. Denn dieser Aufenthalt fiel zeitlich zusammen mit dem Feldzug von Belisar, einem römischen General, welcher verantwortlich war, das Königreich der Vandalen zu zerschlagen und die römische Autorität in Nordafrika wiederherzustellen. Nach dem endgültigen Sieg wurden die Pferde, wie es der Brauch wollte, dem Kaiser zugeschickt. Das Bataillon der numidischen Reiter wurde in den Orient befördert, um sich den Parthern entgegen zu stellen. Jahrhunderte später, beschrieben die maurischen Gelehrten Ibn el Awwam und besonders Ibn Hodaïl das ideale Pferd, wobei sie besonderes Gewicht auf die Feinheit des Gewebes, die Qualität der Gliedmaßen, die Länge des Halses sowie die Schnelligkeit und Ausdauer legten. Solleysel und La Guérinière, beides große Reitmeister am französischen Hof des 16. und 17. Jahrhunderts, verglichen den Berber, und dies ist wichtig, mit dem Andalusier. Der Berber wurde von ihnen als kleiner, feiner und insbesondere schneller und ausdauernder beschrieben als der Andalusier. Das Temperament der Berber ist kühler und seine Gänge weniger elegant. Bereits vor dieser Epoche begannen der Berber und der Andalusier voneinander abzuweichen, der Andalusier gewann als Folge der Einkreuzung von nordischem und neapolitanischem Blut an Größe und Kraft, um der aus Italien stammenden Mode „schwerer Pferde“ gerecht zu werden. Diese Kreuzungen, und das Ende der Einkreuzung von Berberpferden als Folge der Rückeroberung der iberischen Halbinsel, führten zu dem was die spanischen Autoren Cabrera und Castejon „den Abstieg des Andalusiers“ nannten. Kehren wir zurück ins 17. Jahrhundert, wo die Rolle des Berbers als Veredler des europäischen Pferdebestandes noch lange nicht beendet ist. Im Jahre 1665 bestimmte Louis XIV durch Dekret das Berberpferd offiziell als einzig zugelassene Hengstrasse für die Zucht der Reitpferde. Ungefähr in der gleichen Epoche wurden Moulay Ismaël, dem damalige Sultan von Marokko, zwölf Zuchthengste der Rasse Percheron geschenkt zur Zucht von Arbeitspferden. Doch der ruhmvollste Ehrentitel, welcher den Einfluss des Berbers auf die Sportpferde auf der ganzen Welt illustrierte ist weder mit der andalusischen noch mit der französischen Nachzucht verbunden.
Der Berber, Urvater des englischen Vollbluts Im England des 17. Jahrhunderts erfuhr der Berber seine Blütezeit. Seit der Antike leisteten die Pferde aus Nordafrika einen wichtigen Beitrag zur Veredlung des englischen Pferdebestandes. Im 12. Jahrhundert wurden die Pferderennen ein sehr beliebter Sport, welcher 1603 reglementiert wurde. Seitdem waren die Pferde aus dem Maghreb und Maschrek für die Zucht von Rennpferden mit Hilfe methodischer Selektion gesucht wie nie. Gesandtschaften wurden nach Arabien, in die Türkei und nach Marokko geschickt, um die Pferde der Royal Mares – der königlichen Stutenherde – zusammenzustellen. Andere wiederum wurden speziell nach Nordafrika geschickt, um die Gruppe der Berber Mares (Berberstuten) zu erstellen. So trug es sich zu, dass Sydney, ein englischer Autor, sagen konnte, dass der Berber ebenso das englische Vollblut ausmache wie der Araber. Der Oberst Eblé des Cadre Noirs, überprüfte den vollständigen Stammbaum von Eclipse, einem legendären englischen Vollblüter des späten 18.Jahrhunderts. Er fand ebenso viele Berber-Stammväter, wie arabische Stammväter. Die Engländer folgten hiermit dem Ratschlag des Herzogs von Newcastle, welcher 1667 schrieb: „...auch empfehle ich euch den Berber, welcher, meiner Meinung nach, das beste Pferde ist, wenn es um die Zucht von Rennpferden geht.“ Zusammenfassend zeichnen all die Zitate und detaillierten Beschreibungen des Berberpferdes durch griechische, arabische, römische , arabisch-andalusische, französische und englische Autoren ein einstimmiges und konstantes Model: eher klein, fein, schnell, ausdauernd, trockene Gliedmaßen, konstante Halshaltung, spärlicher Behang, eher kühles Temperament. Die Tatsache, dass die Engländer den Berber aufsuchten, mit dem einzigen Ziel, ein gutes Rennpferd zu schaffen, vervollständigt die Liste: er ist ein Mittelstrecken-Rennpferd.
Der Untergang des Berbers Nun sind wir im 18. + 19. Jahrhundert, damit beginnt die methodische Selektion aller Hausrassen und der Stillstand, bzw. Rückgang der Länder der südlichen Mittelmeerküste und seiner Pferdebestände. Man spricht vom Berber nur noch in Bezug auf seine Robustheit. Er verschwand von den Rennbahnen. Der Krimkrieg und der 1. Weltkrieg (Schlacht von Uskub) haben ihn kurz wieder ehrenvoll in das Bewusstsein des Mikrokosmos der berittenen Militärs zurückgerufen. In Folge der nahezu vollständigen „Befriedung“ zu Anfang des 20. Jahrhunderts, hat die Modernisierung auch im Maghreb Einzug genommen und die Rolle der Pferde verändert. Vom Gebrauchspferd für Krieg, Razzia, Transport wurden sie im besten Fall zum Prestigeobjekt im schlimmsten Fall zum Karrenzieher.
Die Moderne: Entwicklung zu einem Prestigeobjekt Für ein Prestigeobjekt ist die Funktionalität zweitrangig. Der Reiter benötigt nicht länger ein Pferd das fähig ist, seinen Reiter schnell, bequem und weit zu bringen. Er will nur noch seinen Reichtum darstellen. Dazu braucht er ein großes, dickes, womöglich gar fettleibiges Pferd. Ein Fantasia-Reiter aus den 30er Jahren hat das folgendermaßen resümiert: « Früher hat man um ein Pferd auszusuchen das Pferd, von den Hufen angefangen bis nach oben, nach Fehlern untersucht. Heute fängt man oben an zu schauen… und hört auch da auf, denn der Rest zählt eh nicht mehr. » Die Bilder datierend vom Ende des 19. bis Beginn des 20. Jahrhunderts zeigen uns ein völlig anderes Fantasia-Pferd als wir sie heute sehen. Von einem Stockmaß von 1.50m ist man zu 1,60m oder 1,70m gelangt und die Zunahme an Gewicht ist fortschreitend. Die feinen, trockenen Gliedmaßen sind schwammig und schwer geworden. Innerhalb von 50 Jahren ist man von einem Marathonläufer zu einem Sumokämpfer gelangt. Mit welchen Mitteln ? Durch die Fütterung ? Sicherlich hat diese eine Rolle gespielt. Die Verfügbarkeit der Nahrungsmittel wurde immer besser und erlaubte ein „Mästen“ des Fantasiapferdes. Zur Gerste- Strohfütterung – und Heu für die Reicheren – kamen Zuckerrübenschnitzel, Weizen, Sojakuchen, und Maiskorn und –silage hinzu. Die Selektion der Zuchttiere, die nach den gesuchten Kriterien, Größe und Masse, erfolgte, hat auch eine Rolle gespielt. Aber Fütterung und Selektion alleine können eine derartige Veränderung der Pferde nicht erklären. Ein anderer Faktor kam hinzu: das Einkreuzen von ausländischen Pferden, und darunter Kaltblüter – das erklärt warum wir heute Pferde sehen mit Gliedmaßen und vor allem Hälsen wie sie für den Percheron typisch sind. Auch Bretonenhengste wurden in großer Zahl eingesetzt, bis zu dem Punkt, dass der Begriff « Brotî » zu einem Oberbegriff für diese schweren Pferde wurde.
Das Fantasiapferd, eine neue Rasse. Diese Kreuzungen sind an sich nicht verwerflich. Viele Hunde-, Rinder- und Pferderassen sind aus solchen « Melting-pots » entstanden, anfangs ungeordnet, im weiteren Verlauf harmonisiert und dann durch Tierärzte und Tierzuchtwissenschaftler genormt. Das Fantasiapferd entspringt einem Bedürfnis, einem Markt, und dieses Bedürfnis, dieser Markt hat es geformt, gestaltet; nicht wissenschaftlich, nur nach Erfahrungswerten und so ist eine neue Pferderasse im Entstehen. Die Frage die sich in aller Schärfe stellt ist die Frage nach seiner Identität. Das Fantasiapferd welches kein Berberpferd ist, welchen Namen soll man diesen kolossalen Pferden geben? In Ermangelung einer eigens anerkannten Identität streben diese danach sich eines Namens zu ermächtigen, der in Vergessenheit geraten ist, nämlich den des Berbers. So kommt es regelmäßig bei den Initialeintragungen (inscriptions à titre initial) zu einem Dilemma: Einige der Pferde, die der Kommission des Staatsgestüts vorgestellt werden, sind nicht einzustufen. Entweder stellt die Kommission diesen Pferden eine Identität als Berber oder Araber-Berber aus (um die Aufnahme in das Zuchtbuch als Initialeintragung ITI zu erreichen), oder sie werden als „Race Non Connue“ (RNC – Rasse unbekannt), tituliert, was einer roten Karte gleichkommt. Für ein Pferd ohne Papiere gibt es keine andere Möglichkeit. Der Status RNC ist nun sehr abwertend, von den Besitzern der Pferde schwer zu akzeptieren. Diese wünschen sich einen besseren Status, der in Anbetracht des Marktwertes ihrer Pferde und seines Prestiges im Milieu der Liebhaber der Fantasia Pferde steht.
Die Alternative ist folglich simpel …. und ohne Lösung :
Es gibt eine dritte Möglichkeit um der Sackgasse zu entkommen. Das wäre die Ausarbeitung eines neuen Standards und die Eröffnung eines neuen Zuchtbuches um eine gegebene Tatsache anzuerkennen: Die Gründung einer neuen künstlich erzeugten Rasse, die sich Marokkanisches Fantasiapferd oder Tbouridapferd nennt oder einen andere zu bestimmende Bezeichnung erhält. So könnte sich das Fantasiapferd weiter entfalten entsprechend des zeitgemäßen Geschmacks in dieser Disziplin, die eher kulturell und spektakulär als sportlich ist. Vor allem könnte der « wahre » Berber zu seinem authentischen, kleineren Format und zu seiner eigentlichen Bestimmung, der Langstrecke, zurückkehren.
Die Berufung und Zukunft des Berbers Die mehr als ehrwürdigen Erfolge der Berber bei Distanzritten bestätigen die Wahrnehmung der alten Autoren. Obwohl er mit einem Anteil 1,2% einen sehr kleinen Part des Teilnehmerfeldes, schafft es der Berber aufs Podium zu gelangen. Fast alle Berber die an 90 km Rennen teilnehmen, qualifizieren sich. Ihr Anteil an Eliminierungen ist gerade mal die Hälfte gegenüber den Vollblutarabern. Der Geschwindigkeitsrekord am legendären Rennen von Florac wurde lange von einer Berberstute gehalten. In diesem Bereich gibt es eine Chance für Tausende von Berbern, oder Araber-Berbern, die sich nicht in dem Bereich der Fantasia bewegen, sondern im ländlichen oder städtischen Raum an die Karrendeichsel gespannt werden. Mit diesen anonymen Fronarbeitern, schlechthin « Keïdars » genannt, könnte man die Rasse neu begründen nach seiner ersten Bestimmung, der Disziplin nach der er ausgewählt wurde: Die Langstreckenrennen.
Die Sahelzone, ein andere Wiege der Rasse. Der Berber und seine nahen Verwandten finden sich jedoch nicht ausschließlich im nordafrikanischen Ursprunggebiet oder weiter gefasst am nördlichen Rand des Mittelmeeres. Auch wenn der Austausch und die Konflikte über den Mittelmeerraum stark zur Verbreitung des Berbers beigetragen haben, darf man den Austausch über die Sahelzone nicht vergessen, der nicht weniger wichtig ist. Nur ein paar ungeordnete Beispiele hierzu wären die Reisen der Garamanten, die Zeiten der Almoraviden, das Reich von Ghana, die Eroberung von Gao und Timbuktu durch den Sultan Mansour Eddahbi, ganz zu schweigen von den Handelskarawanen. Diese ständigen Kontakte zwischen Nord- und Westafrika führen zu der Verankerung des Berbers in Afrika und erklären, dass man in Mali, Mauretanien und im Niger Populationen gefunden hat, die durch Kolonial-Tierärzte aus dem ehemaligen französischen Sudan, als direkte Nachfahren von Berbern identifiziert wurden. Sie werden heute als Sahel-Berber oder Dongola-Berber geführt. Die extremen Verhältnisse in den südlichen Gebieten der Sahelzone haben dem Sahel-Berber sein kleines Format erhalten, begleitet von den Eigenschaften, die ihm seinen Ruf geschaffen haben. Sie sind rein geblieben und von all den Sport- und Zugpferderassen verschont, die sich im Maghreb im 20. Jahrhundert verbreitet haben. Um die in Marokko begonnene Studie über die genetischen Abdrücke des Berbers zu vervollständigen, sollte man sie auf diese mehrere Tausend Exemplare ausweiten, die kostbar bei den Volksstämmen der Soninke, Mauren (Bīdān), Hausa, Tubu … erhalten geblieben sind. Diese Populationen stellen ein genetisches Reservoir von unschätzbarem Wert dar um den Berber wieder neu aufleben lassen zu können. Der Import einiger Zuchttiere aus der Sahelzone nach Marokko unter Berücksichtigung der sanitären Vorschriften würde einer Reise ins 18.Jahrhundert gleich kommen, zu den Wurzeln der Berber.
Die Aufgabe schafft das Organ. Sie schafft auch die Rassen. Der Berber wurde geschaffen für die Jagd, das Rennen, den Bewegungskampf. Er ist dabei zu verschwinden, weil seine Aufgaben verschwunden sind und weil sein Wert für die Distanzrennen nicht geschätzt wurde. Gleichzeitig ist eine neue Rasse im Begriff zu entstehen, geschaffen einzig und allein durch und für die Fantasia. Diese Rasse hat nicht mehr sehr viel mit dem Berber zu tun. Zum Wohle beider Rassen sollten sie getrennt geführt werden und zwar auf wissenschaftlicher und historischer Basis, damit jede sich in ihrem eigenen Raum entsprechend ihrer Bestimmung entfalten kann. So könnte man sich auf eine bekanntes Zitat berufen und es auf das Berberpferd anwenden: « Eine Rasse die ihre Vergangenheit nicht kennt, hat keine Zukunft ».
Nämlich die, dass eine Gefährdung für die Rasse des Berberpferdes besteht, indem wir nichts dagegen tun, dass das Fantasia- oder Tbouridapferd als Berberpferd identifiziert wird |