Sattelseminar mit Uli Deuber auf dem Reckeroder Hof
Dienstag, 26. April 2011

Ein Bericht von Verena Röschmann

 

Am Sonntag, den 27.03.2011, traf sich ein gutes Dutzend Interessierte auf dem Reckeroder Hof zum Sattelseminar mit Uli Deuber. Ich habe noch nie ein Sattelseminar mitgemacht und war sehr gespannt auf die Ausführungen eines solchen Fachmanns, der ja schließlich die namhafte Sattler-Firma "Deuber" leitet und gegründet hat. Die Teilnehmer wollten sich allgemein über Sättel informieren und jeder hatte auch irgendwelche spezifischen Fragen, denn mit dem leidigen Thema "welcher Sattel ist der richtige für mein Pferd und mich" hat sich wohl jeder Reiter schon einmal herum geschlagen. Sattelseminar Bild 1Sattelseminar Bild 2Bei den vielen Anbietern und Satteltypen kann diese wichtige Wahl leicht zu einer frustrierenden Odyssee werden. Der Wettergott meinte es gut mit uns, auch wenn die Weiden dringend Wasser benötigten waren wir doch froh, dass an diesem Tag noch die Sonne schien und angenehme Temperaturen herrschten.

 

Uli Deuber kam pünktlich und begrüßte die Teilnehmer. Er packte verschiedene nackte Sattelbäume aus und nach einigen Minuten Small Talk ging es in den Lehrgangsraum des Reckeroder Hofs. Dort gab es erst einmal eine Abhandlung über die Entstehungsgeschichte der verschiedenen Satteltypen und ihrer Verwendungszwecke in den Ursprungsländern. Sattelseminar Bild 3

 

 

 

Auch erzählte er, dass es in den USA keine Sattler gäbe, die zur Sattelanprobe zum Pferd kämen sondern dass man den Sattel im Laden kauft, (nach einer Wahl zwischen Full- oder Half-Quarter-Baum) und das war's. Der Verwendungszweck ist natürlich wichtig, ob z.B. Reining-, Roper- oder Barrel-Race-Sattel. Genau so wie bei der europäischen Kavallerie, wo die Reiter - nicht die Ausbildungsoffiziere - zuerst oft fast Anfänger waren und mit den Pferden klar kommen mussten - und umgekehrt. Das war etwas ernüchternd, aber andererseits auch gut zu sehen, dass Uli, der selber passionierter Reiter ist und sich mit verschiedenen Reitweisen beschäftigt hat, sich keiner Reitart so verpflichtet fühlt, dass er sie beschönigt. Sattelseminar Bild 4Diesen ganzen theoretischen Teil belebte er mit dem Anschauungsmaterial, das am Tisch herum gegeben wurde (einschließlich eines 120 Jahre alten Pritschensattels der Kavallerie) und von allen begutachtet und angefasst werden konnte (der Ausdruck BEGREIFEN kommt nicht von ungefähr) sowie durch Fragen, die von ihm gestellt wurden und die Anwesenden zu Diskussionen anregten. Hier kam man manchmal etwas vom eigentlichen Thema ab, aber das störte keinen, niemand urteilte jemanden ab, wenn er etwas nicht wusste oder ein Vorurteil vertrat, es war ein lebhaftes Zwiegespräch, das, so denke ich, allen Spaß machte. Gut fand ich auch, dass Uli die harte Situation der Pferde in den Ursprungsländern relativierte und daran erinnerte, dass diese Leute manchmal wirklich nicht wissen, wo das Brot für den nächsten Tag herkommt, so dass das Wohl der Tiere dort wirklich zweitrangig ist.

 

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Anhand der mitgebrachten Sattelbäume wurde der Unterschied zwischen flexiblen, festen und baumlosen Sätteln erläutert sowie die Vor- und Nachteile der Satteltypen diskutiert und besprochen. Als Faustregel wurde schließlich festgehalten, dass je „schlechter“ und/oder schwerer der Reiter ist, umso fester der Baum sein muss. Die Negativ-Meinung über baumlose Sättel bzgl. Ihrer Rückenunfreundlichkeit für Pferde hat sich laut Uli nicht bestätigt. Die Fa. Deuber hatte Messungen bei Natalie Penquitt durchgeführt, die letztendlich zu o.g. Ergebnis führten. Interessant hierbei war noch, dass der 120 Jahre alte Pritschensattel über einen Lederbaum verfügte, das Prinzip und die Vorteile des flexiblen Baums war also schon damals bekannt und wurde mit den zu dieser Zeit verfügbaren Mitteln umgesetzt. Wirklich beeindruckend!

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Dann ging es ans lebende Objekt: Als Demonstrationsobjekt musste zunächst der schöne Wichozane herhalten. Uli legte verschiedene Sattelbäume auf und erklärte, welcher Baum warum für dieses Pferd nicht geeignet oder geeignet war. Auch hier bezog er die Gruppe mit ein, fragte immer wieder nach deren Meinung, ließ Diskussionen zu und gab hinterher seine Erläuterung dazu. Es gab eine Einführung in Pferdephysiologie, wie lang ist die Sattelfläche des Pferdes, wie muss ein Sattel liegen, wo ist die Sattelmitte, wo der Schwerpunkt, wo der Tiefpunkt und vieles mehr. Auch über die Negativfolgen von zu engem Reiten, nicht passenden Sätteln und unpassenden Reitern wurde gesprochen. Er betonte jedoch auch immer wieder, dass er als Sattler den bestmöglichen Kompromiss für Reiter und Pferd finden müsse. Dies fiel mir ebenfalls positiv auf: dass er nicht in "Wendy-Sphären" schwebte sondern ganz realistisch beurteilte, dass manche Reiter einfach nicht ausreichend ausgebildet oder zu schwer sind für das Pferd, das sie sich gekauft haben, jedoch er nur darauf hinweisen, aber natürlich nicht verlangen könne, das diese Reiter ihr Pferd verkaufen sondern sich bemühen müsse, einen Weg zu finden, mit dem Reiter und Pferd zufrieden sein können. Die Auflagefläche des Sattels, die Sitzgröße und die Position der Steigbügel wurden ausführlich besprochen und führte zu manchem "AHA"-Erlebnis.

 

 

Sattelseminar Bild 10Dann gab es eine wohlverdiente Mittagspause - der arme Wicho wurde entlassen - mit einem sehr bemühten Pizza-Lieferanten, der extra für ein vergessenes Brot nochmal wieder kam, und in der man sich weiter über das Gehörte und andere Themen unterhielt.

 

Danach wurde ein Pferd mit einem anderen Rücken, Marions Berber, "verdonnert" und musste als Anschauungsmaterial herhalten. Er wurde aber auch mit vielen Streicheleinheiten belohnt und nahm das Ganze sehr gelassen - Berber halt. An ihm wurde das bereits Gelernte wiederholt und, für ihn abgewandelt, angewendet.

 

Am späten Nachmittag dann merkte man den Kursteilnehmern an, dass ihre Köpfe von den erhaltenen Informationen rauchten und dass jetzt die Zeit gekommen war, das Ganze sacken zu lassen. Uli Deuber, als erfahrener Kursleiter, nahm dies auch wahr und so erklärte man den offiziellen Teil des Kurses als beendet, aber für Einzelfragen stand er selbstverständlich zur Verfügung, was auch ausgiebig genutzt wurde.

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Nachdem sich die meisten Teilnehmer verabschiedet hatten, ließen einige den Abend noch bei einem hervorragenden Italiener in der Nähe ausklingen und danach fuhr Uli nach Hause.

 

Meine Erwartungen an diesen Tag wurden vollständig erfüllt. Uli Deuber war immer freundlich und geduldig, selbst wenn eine Frage mehrere Male gestellt wurde oder es zum x. Mal hieß: "Das habe ich noch nicht verstanden". Er war nicht nur erpicht, seine Sättel zu verkaufen sondern schlug auch Sättel anderer Hersteller vor, war bodenständig und vertrauenerweckend kritisch. Er hat uns ein kleines Werkzeug für den künftigen Sattelkauf mitgegeben, worauf muss ich achten und woran erkenne ich einen guten / schlechten Sattler / Verkäufer, so dass man sich in Zukunft vielleicht nicht mehr ganz hilflos gegenüber diesem komplexen Thema fühlen muss.

 

Merkwürdigerweise ging er auf meinen Vorschlag, sich einen Zweitwohnsitz in der Lüneburger Heide zuzulegen, nicht ein. Schade, ich hätte ihn gern als Reitlehrer kennen gelernt, denn nach seinen Äußerungen zu urteilen ist er ein Pferdemensch, von dem ich gerne lernen würde. Und ein einprägsamer Satz, der ihm von einem seiner Lehrer mitgegeben wurde, bleibt mir in Erinnerung: Du kannst entweder ein guter Reiter sein oder ein erfolgreicher.

 

Zum Schluss aber noch ein großes Lob an den Reckeroder Hof. Es war prima organisiert, das Umfeld stimmte und das färbt ja auch immer auf die Stimmung einer Veranstaltung ab. Marion und Bettina waren sehr nette Gastgeberinnen und ich habe mich - man verzeihe mir den Ausdruck - "sauwohl" gefühlt. Ein schöner Hof mit Tieren, denen es gut geht und man muss immer mit einer animalischen Überraschung rechnen. Ich denke hier an Hühner, die aussehen, als hätten sie in eine Steckdose gefasst - Zwergseidenhühner - oder an Schafe, die plötzlich über den Hof laufen oder Hängebauchschweine, die abends in den Stall getrieben werden.

 

Einfach herrlich, und auch wenn mich dieses Auf und Ab und Hin und Her der hessischen Nebenstraßen mindestens zwei Jahre meines Lebens und drei Liter Schweiß gekostet haben (sowas gibt es hier bei uns im Flachland nicht, da kann man Donnerstag sehen, wer am Sonntag zu Besuch kommt, so wie es sich gehört), habe ich dieses Wochenende sehr genossen. Ich hoffe, ich war nicht zum letzten Mal auf dem Reckeroder Hof bei Marion und Bettina.

 

Vielen Dank nochmal und alles, alles Liebe

 

Verena

 
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